Mittwoch, 27. Mai 2020

Himmelfahrtskommando 2020 : Viererspitze Süd-West-Grat Free Solo und die Kreuzwand ohne Kreuz

Hi! 😀

Entgegen aller Befürchtungen konnten DF und ich die Bergsaison 2020 traditionell an Himmelfahrt mit unserem "Himmelfahrtskommando" einleiten. 😁 Dieses Mal hatten wir uns die Viererspitze im Karwendel als Ziel auserkoren. Wir wollten diese über den Süd-West-Grat (UIAA 4+) erklimmen, wobei bereits der Zustieg Kletterei im zweiten Schwierigkeitsgrad und eine sehr lange Klamm bereithielt. Sollten wir die Schlüsselstelle nicht schaffen, gab es die Möglichkeit den Einstieg über eine leichtere Passage (UIAA 3-) zu umgehen. Insgesamt versprach die Tour wieder mal ein Abenteuer zu werden. Ob alles geklappt hat? Lest selbst! 😉
Das Ziel, die Viererspitze, ist der markante Gipfel links im Bild. 

Vorab ein paar Infos zur Viererspitze: Der markante Gipfel, der über Mittenwald thront, ist 2.054 m hoch und hat seinen Namen von den Wasserrillen auf seiner Nordseite, die optisch die Zahl "4" formen. Bereits der Normalweg auf die Viererspitze erfordert Kletterei im zweiten Schwierigkeitsgrad, was sie zu einem der anspruchsvolleren Ziele in dieser Gegend macht. 


Die markante "4" in der Nordwand der Viererspitze.
DF und ich starteten um 05:15 Uhr in der Früh (obwohl das für unsere Verhältnisse eher spät war 😅) vom Wanderparkplatz nahe der B2 bei Mittenwald. Da mir in dieser Nacht kein Vollmond ins Gesicht geschienen hatte, hatte ich sogar halbwegs schlafen können.
Der Zustieg bis zur Mittenwalder Hütte ist sehr gut markiert.
Der erste Teil des Aufstiegs erfolgte auf dem regulären Wanderweg bis kurz unterhalb der Mittenwalder Hütte. Der Weg schlängelte sich in steilen Serpentinen den Berg hoch, so dass wir recht schnell an Höhe gewannen. 
Die Wettersteinspitze im Morgenlicht.

Der unproblematische Wanderweg zur Mittenwalder Hütte.

Hinter den Kulissen. 😁
DF und ich erhielten bereits erste Einblicke auf den weiteren Weg, der aus unserem Blickwinkel an dieser Stelle geradezu unmöglich aussah. 😱
Der Blick zur Soiern-Gruppe bei Sonnenaufgang.

Was man im Wald so alles findet...
Der weitere Weg grob eingezeichnet. 
Auf etwa 1.440 m zweigte unser Weg mitten in einer Kehre nach links vom Hauptweg ab. Die Stelle war gut daran zu erkennen, dass sich dort ein Holzkasten an einem Baum befand. 
Dort zweigte der Pfad zur Viererspitze ab.
Gut sichtbare Trittspuren führten als kleiner Trampelpfad scheinbar in die Wildnis. Durch die ausgiebige Internet-Recherche zuvor wussten wir, dass wir uns immer rechts halten mussten, sollte der Weg sich aufteilen.  
Bei genauerem Hinsehen ist dort tatsächlich ein schmaler Steig. 
DF und ich folgten dem kleinen, aber gut erkennbaren Pfad, bis wir vor einem großen Schneefeld standen. Der Schnee war glücklicherweise sehr griffig, so dass wir ohne Probleme queren konnten. Direkt unterhalb des Schneefelds ging es im Anschluss weiter. 
Ob die Kamera wohl hält?!

Imposante Eindrücke beim Blick nach oben.

Ein Stoffel im Schnee.
Das Gelände gab uns den Weg sehr eindeutig vor, so dass Verhauer praktisch unmöglich waren. Zusätzlich fand man an einigen Stellen rote Wegmarkierungen. 

Schließlich erreichten wir die Mittlere Kreuzklamm, an der uns bereits die erste Kletterei (UIAA 2) erwartete. Beim Abklettern habe ich mir zumindest mal wieder gewünscht, ich wäre 1,90 m groß. 😂 In der Klamm erkannten wir sofort, dass es sich hierbei um die einzige Möglichkeit handelte, um den Einschnitt im Gelände überhaupt zu passieren. Alle anderen Stellen waren dafür definitiv zu steil. 😨
Die erste Kraxelei für diesen Morgen.
In der Mittleren Kreuzklamm.
Direkt gegenüber markierten drei rote Punkte den weiteren Weg nach oben. Über eine sehr lockere, aber anregende 2-er-Kletterei erreichten DF und ich den nächsten Aufschwung. Da es inzwischen 08:00 Uhr war, nutzten wir das etwas flachere Schrofengelände, um eine Frühstückspause einzulegen. Während dieser Pause überholten uns zwei Zweier-Seilschaften. Soviel dazu, dass wir uns eine ruhigere Route ausgesucht hatten...
Blick zurück zur Mittenwalder Hütte.
Nach der gemütlichen Pause führte der Trampelpfad uns noch ein kleines Stück weiter, ehe wir in der Vorderen Kreuzklamm standen. 
Die Rinne der Vorderen Kreuzklamm. 
In der Rinne.


Und damit begann einer der coolsten Abschnitte auf dieser Tour. DF und ich hatten noch etwas über 400 Höhenmeter innerhalb der breiten Rinne zurückzulegen, bevor wir den Einstieg zur eigentlichen Kletterroute erreichen sollten. Doch die Rinne selbst wurde bereits zum kleinen Kletterabenteuer. Durch die glatt gespülten Steine war es meistens feinste Reibungskletterei und man konnte sich auch gefahrlos eine etwas schwierigere "Route" suchen, da man gar nicht weit abstürzen konnte. Es war unglaublich spaßig und abwechslungsreich sich in der Rinne nach oben zu arbeiten. Von uns aus hätte sie gerne noch etwas länger sein dürfen. 😆
Das nenne ich mal glatte Platten.

DF in seinem Element. 
Wer übrigens nicht über den Süd-West-Grat zur Viererspitze möchte, kann der Klamm auch bis ganz nach oben folgen und von dort aus über den Normalweg zum Gipfel aufsteigen. 
Das wird nie langweilig hier! 

Schönste Aussichten auf Mittenwald und den Wetterstein.
Während unseres Aufstiegs erspähten DF und ich eine der beiden Seilschaften am Kofler Turm (UIAA 6- !!! 😲) rechts von uns. Mit denen würden wir auf dem Grat schon mal nicht ins Gehege kommen. Wir hofften zu diesem Zeitpunkt noch, dass die andere Seilschaft zügig vorwärts gekommen war. Wir waren zwar durch Filmen und Fotografieren langsamer, aber dadurch, dass wir ohne Seil unterwegs waren, bei der eigentlich Kletterei um einiges flotter. 
Im oberen Teil der Rinne.

Bizarre Felsformationen im Karwendel.
Direkt am Ende der Latschen führte ein kleiner Trampelpfad nach links zur Einstiegsstelle. Zuerst passierten wir den einfacheren Einstieg, ehe wir direkt vor dem ersten Standplatz am Einstieg des Süd-West-Grats standen. 
Da geht es links aus der Rinne weg zum Einstieg.

Die Umgehung zum Einstieg auf den Grat. 
Unser Pfad hatte nur mit leichtem Anstieg dorthin geführt, wobei das Gelände auf der anderen Seite des Einstiegs erschreckend steil abfiel. 😱
Runter fallen möchte ich dort nicht...
Der Einstieg war mit Sicherungsmöglichkeiten nicht gerade gespickt. Es gab einen großen Ring und etwa 1,5 m darüber einen Bohrhaken und danach lange nichts. DF und mir war schon ein wenig mulmig zumute, aber der kleine Absatz inmitten der Wand entschärfte die Situation auch wieder. Sobald wir auf diesem Absatz stehen würden, wäre das schlimmste geschafft. Wir wechselten von unseren Zustiegsschuhen auf Kletterschuhe und das Abenteuer konnte beginnen! 
Direkt am Einstieg zum Süd-West-Grat.

Und das sehe ich in diesem Moment...😱
DF kletterte als Erster vor und ich versuchte mir zu merken, wo er Griffe fand, um sich an der Wand nach oben zu arbeiten. Steil ging es für ihn nach oben, bis er schließlich sicher stand und ich nachkommen konnte. 
Ich hakte mich mit unserer Selbstsicherung am Abseilring ein und wollte gerade starten, als die andere Seilschaft, die uns zuvor überholt hatte, auf einmal um die Ecke kam. Total perplex frage ich sie, wann wir sie denn überholt hätten und erfuhr, dass sie den richtigen Ausstieg aus der Rinne verpasst hatten und bis ganz oben gegangen waren. Super, jetzt hatte ich auch noch Zuschauer bei meiner Kletterpartie! 😰 
Aber damit war natürlich noch nicht genug: Ich hatte den schmierigen und rutschigen Fels gerade nach Griffen abgesucht, als auf einmal mein Handy klingelte. Jemand von der Arbeit hatte nicht mitbekommen, dass ich einen freien Tag hatte...😐 Also stand ich fast eine Minute am Einstieg und telefonierte. Wenn das mal keine optimale, mentale Vorbereitung auf die Schlüsselstelle war! 😩

Der Fels am Einstieg zum Grat war zum Teil wie mit Schmierseife überzogen und es dauerte ein wenig, bis ich Griffe und Tritte fand, denen ich trauen konnte. Nach einem beherzten Zug und etwas Boulder-Akrobatik stand ich zumindest auf dem Absatz. Ab diesem Punkt war die Kletterei zwar nicht mehr so schwierig, aber der Stein war immer noch erschreckend abgespeckt, so dass man lieber drei Mal testete, was hielt und was nicht. Ich war jedenfalls heilfroh, als ich endlich bei DF an einem der weiteren Bohrhaken ankam. 😳 Die Seilschaft unter uns staunte jedenfalls nicht schlecht, als wir ihnen im Anschluss regelrecht davon spazierten. 😅
Endlich auf dem Grat. 😍
Der weitere Weg auf dem Grat erschloss sich wie von selbst. Meist blieb man direkt auf dem Grat oder hielt sich ein wenig rechts davon. Die Ausgesetztheit der Kletterpassagen hielt sich meist in Grenzen, wobei sich schon luftige Tiefblicke in Richtung Mittenwald ergaben, die es sonst sicher nicht gibt. Allein der Klemmblock, an dem sich auch der zweite Standplatz befand, war wieder ein kleines Highlight. 
DF am zweiten Standplatz.

Der weitere Weg mit bombenfestem Fels.
In der dritten Seillänge.

Die Aussicht zur Bergstation der Karwendelbahn.
Nach gerade einmal 45 min hatten DF und ich die circa 150 Klettermeter zurückgelegt und das Gipfelkreuz der Viererspitze erreicht. Von der Zweier-Seilschaft, zu der sich zwischendurch eine Dreier-Seilschaft gesellt hatte, war inzwischen nichts mehr zu sehen. 😅
Der obligatorische Gipfelbuch-Eintrag.
Team Stoffel auf der Viererspitze! 
Unser nächstes Ziel, die Kreuzwand, zeichnet sich bereits deutlich ab.

Eine kleine Rampensau! 😆
Da wir den Gipfel für uns alleine hatten, nahmen wir uns Zeit für eine kurze Pause, ehe wir uns daran machten den Abstieg zu erkunden. In sämtlichen Beschreibungen war der Abstieg über den Normalweg gruseliger beschrieben worden, als der Aufstieg über den Süd-West-Grat. Dieser Bewertung konnten wir uns nicht anschließen. Wenn man mit Ruhe und Bedacht und etwas Kletterkönnen an den Abstieg ging, war dieser wirklich gut machbar. 
Oberhalb eines großen Felsblocks konnten man sich sogar aussuchen auf welcher Seite man diesen umrunden wollte. DF ging von oben gesehen links direkt in der Rinne nach unten und ich nahm die rechte Umgehung. Beides war ohne Probleme machbar. Weiter ging es steil in der Rinne nach unten, wobei sich überall ausreichend Griffe und Tritte fanden. Das Hauptproblem war die Steilheit und die Ausgesetztheit, die man hinter sich wusste. 
Nach dieser Rinne ging es nach links über eine Stufe (von oben betrachtet), um dann in der nächsten Rinne abzuklettern, bis man den Ausstieg erreicht hatte.
Es finden sich überall ausreichend Griffe und Tritte.

Der Abstieg (mit Variante) über den Normalweg ist ganz grob eingezeichnet. 
Von dort aus führten uns gut sichtbare Pfadspuren weiter zur Kreuzwand. Auf dem Weg dorthin hatten DF und ich mehrere kleine Schneefelder zu queren, die aber an sich kein Problem darstellten. An einem der Schneefelder wurden wir allerdings Zeuge von einem Alpenschneehuhn-Pärchen in der Balz! 😍 Wobei die Balzgeräusche des Männchens sich eher nach einem kaputten Geigerzähler anhörten. 😂
Von wegen nur karger Fels.
Ein paar Schneereste vom Winter.

Suchbild: Wer findet das Alpenschneehuhn? 😀
Keine halbe Stunde nach unserem Abstieg standen wir am Fuß der Kreuzwand, wo der Weg auch ins Vordere Dammkar abzweigte. Die Trittspuren nach oben zum Gipfel waren zum Teil nur schwer erkennbar und das schrofige und schottrige Gelände machten den Aufstieg sehr unangenehm. 
Sonderlich einladend sieht die Kreuzwand nicht aus.

Auf dem unangenehmen Aufstieg zur Kreuzwand. Im Hintergrund zeichnet sich ganz markant die Viererspitze ab.
Der höchste Punkt der Kreuzwand hatte kein Gipfelkreuz. Nach den Beschreibungen im Netz sollte sich dieses auf einem Vorgipfel befinden. Aufgrund des brüchigen Geländes und da wir das Kreuz nicht einmal sehen konnten, verzichteten wir jedoch darauf. Vom höchsten Punkt der Kreuzwand hatten wir einen sehr guten Blick zurück zum Gipfel der Viererspitze, an dem die anderen Seilschaften inzwischen angelangt waren. Wir waren wohl insgesamt doch etwas schneller...😅
Mahlzeit! 😋
Nach einer kurzen Pause ging es für uns wieder zurück und dieses Mal in steilen Serpentinen hinab ins Vordere Dammkar.
Der Beginn der Odyssee. 

Von wegen steil ist geil...😕
Um Gewicht einzusparen, hatten wir auf die Mitnahme von Stöcken verzichtet, was den Abstieg über das rutschige, schottrige und zum Teil noch eingeschneite Geröll etwas beschwerlich gestaltete. Es reichte jedenfalls so weit, dass DF mir meine erste "Unterrichtsstunde" im Abfahren auf Schotter geben konnte. 😅 Es wird aber noch ein wenig dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe...😶
Wieder mal bizarre Felsformationen.

Sieht endlos aus? Fühlt sich auch endlos an! 😞
Die andere Seite der Kreuzwand mit Gipfelkreuz. 
Das Vordere Dammkar mündete direkt auf einem kleinen Plateau, auf dem sich die Dammkarhütte befand. An einer dort eingefassten Quelle schöpften wir ein wenig Wasser, ehe wir uns an den Abstieg machten. Die Hitze war inzwischen geradezu erdrückend, wobei zeitgleich dunkle Wolken aufzogen, die es einem ganz anders werden ließen. 

Glücklicherweise hatten wir keine 5 km und nur noch etwa 700 Hm im Abstieg vor uns, wobei der Weg sich auf einfache Wanderwege und später sogar auf einen großen Forstweg verteilte. Die Strecke bis zum Auto war also mehr eine Pflichtübung, die durch die unangenehme Hitze jedoch nicht zu unterschätzen war. 😵
Zum Glück gibt's Zip-Off-Hosen. 
Gegen 16:00 Uhr erreichten wir wohlbehalten den Parkplatz. Nachdem wir unsere Füße in der Isar ein wenig ausgedampft hatten, ging es zurück in die Heimat. 😄

Das Video von DF findet ihr hier: Himmelfahrtskommando 2020: Viererspitze (Karwendel) Südwestgrat seilfrei + Kreuzwand. 😉

Fazit zur Tour:
Der Süd-West-Grat zur Viererspitze war ein einziges Abenteuer und hat DF und mir unglaublichen Spaß gemacht! 😁
Der Zustieg an sich, insbesondere die lange Rinne, war ein regelrechter Genuss - abwechslungsreich, nicht zu schwer, aber immer spannend. 
Bis auf die schmierige Einstiegsstelle war auch der Grat sehr angenehm zu klettern und hätte auch gerne etwas länger sein dürfen. 😅
DF hat es nach der Tour sehr passend formuliert: "Würde ich hier unten wohnen, würde ich diese Route täglich gehen, weil sie so toll ist!" 😎
Wer sich in den unteren Schwierigkeitsgraden im Klettern wohl fühlt, kann die Tour problemlos free solo gehen. Die Schlüsselstelle ist für den Vorsteiger eh nur minimal abzusichern und somit praktisch frei zu erklimmen. Da die Viererspitze von allen Seiten nicht allzu leicht zu erreichen ist, hat man den Gipfel auch meistens für sich. 
Wer einfach nur mal in das Gelände reinschnuppern möchte, kann auch "nur" die lange Rinne mitnehmen und die Viererspitze links liegen lassen. Allein die Rinne ist schon ein Erlebnis! 
Alles in allem war die Tour ein mehr als gelungener Auftakt in die Bergsaison 2020! 😊

Bis zur nächsten Schandtat!

Eure Katharina

2 Kommentare:

  1. Super als Abendlektüre im Auto auf einem Parkplatz irgendwo um Garmisch .

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    1. Freut mich und ich hoffe, dass du danach schlafen konntest. ;)

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