Samstag, 14. Dezember 2019

Psychische Probleme und Bergsport - Hindernis oder Therapie?

Hi! 

Über diesen Eintrag habe ich mir schon viele Wochen den Kopf zerbrochen. Letzten Endes habe ich keinen Sinn darin gesehen, um den heißen Brei herumzureden oder es schweigend auszusitzen.
Das sind Momente, die man nicht so schnell vergisst...
In vielen Kommentaren und Einträgen von verschiedensten Personen habe ich in der Vergangenheit gelesen, dass sie sich nicht trauen wandern oder sogar in die Berge zu gehen, weil sie an Angststörungen, Depressionen oder einer vergleichbaren Krankheit leiden. Ich möchte euch fragen: Schließt das eine das andere automatisch aus? 

Wenn ich von mir selbst ausgehe, kann ich sagen, dass es sich nicht ausschließt, auch wenn es nicht immer leicht ist. Ich werde hier keine Diagnose nennen und es soll ganz sicher nicht wie im Seniorenheim zugehen, wo jeder sich mit seinen Krankheitsbildern zu übertrumpfen versucht, aber ich kenne diese Probleme, da ich sie zum Teil auch habe. 
Ich weiß wie es ist, wenn einen die Angst lähmt, wenn man den Körper nicht mehr spürt oder wenn man zum wiederholten Mal keine Sekunde geschlafen hat. Ich kenne all diese Dinge selbst seit Jahren und ich sage ehrlich, dass ich sie nicht mag. Aber sie gehören zu mir dazu und ich bin nach wie vor dabei, mich mit ihnen zu arrangieren. 

Warum erzähle ich euch das? Ich möchte, dass ihr seht, dass ich als Betroffene schreibe und nicht von oben herab ein Urteil fälle, über Menschen, die in irgendeiner Weise von einer psychischen Krankheit betroffen sind. 

Und wie ihr auch seht: Ich gehe raus und ich gehe in die Berge. Das habe ich auch schon getan, bevor ich DF kannte, auch wenn es mit ihm und seiner Unterstützung deutlich einfacher ist. 
Ein altes Archivbild auf dem Weg zur Arnspitze in 2013 - lange vor DF. 
Wisst ihr warum ich in den Bergen unterwegs war? Weil sie mir gut tun. Die Natur, die Stille, die Ausblicke und die Einsamkeit beruhigen mich. Natürlich waren einige Touren auch kleine Abenteuer, aber gleichzeitig konnte ich mir nichts besseres abseits der Massen vorstellen, um mir etwas Gutes zu tun und zu entspannen.

Es ist wissenschaftlich mehrfach bewiesen, dass Aufenthalte in der Natur und auch Bewegung im Allgemeinen dabei helfen, um die Symptome von Angststörungen oder Depressionen zu verringern. Es muss keine harte Wanderung sein, ein Spaziergang ist hierzu ein vollkommen ausreichender Start. Das bloße Voreinandersetzen der Füße reicht, um den Körper entsprechende "Glückshormone" ausschütten zu lassen. Bewegung heilt! 
Es fällt auf jeden Fall schwerer sich bei solchen Ausblicken mies zu fühlen. 
Warum bin ich dann ausgerechnet in die Berge gegangen? Eine einfache Wanderung hätte ich auch im heimischen Rhein-Main-Gebiet machen können. 
Auf diese Frage gibt es zwei Antworten: Zum einen habe ich in den Bergen einen Teil meiner Kindheit verbracht und verbinde ausschließlich positive Erinnerungen mit ihnen. Zum anderen ist es so, dass mich die Schönheit der Berge, die Unberührtheit der Natur und auch der Fakt, dass ich dort stundenlang niemandem begegnen kann, nach wie vor fasziniert.
Es müssen auch nicht zwingend die Berge sein, andere können sich bei einem ausgedehnten Strandspaziergang an der See genauso entspannen und die Seele baumeln lassen.

Ein zusätzliches Gegenargument, was ich bereits früher häufig gehört habe, war, dass Menschen Angst hatten, alleine unterwegs zu sein. Ich habe es im Gegensatz immer darauf angelegt, weil ich mich unter (fremden) Menschen selten wohlfühle. 
Und rein statistisch ist die Gefahr einer Vergewaltigung oder eines Raubüberfalls auf einem Wanderweg bei etwa 1.600 m und höher mitten in den bayrischen Alpen praktisch nicht vorhanden. Wer würde dort hinter einem Gebüsch auf jemanden lauern, zumal die Parkmöglichkeiten für ein Fluchtfahrzeug ziemlich begrenzt sind? 

Ich persönlich durfte die Erfahrung machen, dass es sich bei den meisten Menschen, die  in den Bergen unterwegs sind, um sehr hilfsbereite, freundliche und herzliche Personen handelt. 
Wenn ihr außerdem die Tour mit etwas Verstand plant und entsprechende Ausrüstung dabei habt, kann da nichts schief gehen. 

Das Klettern, als besondere Bewegungsform, war für mich letzten Endes ein weiterer Schritt, um in den Bergen vorwärts zu kommen und vielleicht noch ruhigere und einsamere Wege für mich zu entdecken (...wenn ich dabei nicht gerade DF vor die Linse laufe...). Durch DF hat sich die Kletterei noch einmal etwas verschärft, aber die Grundidee ist die gleiche geblieben. 
Die Eisenzeit, inklusive Harakiri-Leiter, war auf jeden Fall eine echte Grenzerfahrung...
In der Psychotherapie gibt es inzwischen vereinzelt Therapeutisches Klettern, das vor allem bei Depressionen und Angststörungen angewendet wird. 
Ich kann von mir selbst sagen, dass mir das Klettern (oder das Bouldern) unglaublich viel gegeben hat. Diese Sportart hat mir ein vollkommen neues Körpergefühl geschenkt. Ihr wollt nicht wissen wie oft ich an der Boulderwand hing, während DF mir eine Bewegungsabfolge erklärte und ich ihm sagen musste, dass ich meinen Körper nicht genug spüre, um alles koordinativ umzusetzen. Der Prozess war hart und ist noch lange nicht abgeschlossen, aber die ersten Erfolge sind da. Von der Steigerung des Selbstbewusstseins, wenn ich eine harte Route geschafft habe, möchte ich hier gar nicht anfangen.

Doch für diese Steigerung des Selbstbewusstseins muss man nicht bouldern, auch wenn ich einen besonders schönen oder anstrengenden Gipfel erklommen habe, bin ich stolz und froh, dass ich es geschafft habe. Es sind die Ziele, die wir uns setzen und auch die Wege dorthin, die uns stärker werden lassen. Das sind die Augenblicke von denen ich zehre, wenn ich einen schlechten Tag habe. 

Ich finde deshalb, dass sich Bergsport und psychische Probleme grundsätzlich nicht ausschließen. Für mich ist es ein Teil der Heilung und der Selbstfürsorge. 

Natürlich gab es auch Touren, bei denen ich nicht gut zurecht war oder sogar mittendrin einen total Durchhänger hatte, aber ich habe mir nach und nach meine kleinen Tricks erarbeitet, die mich weiterbringen. Es ist schwer sich durch diese Momente durchzubeißen, doch das schöne Erlebnis überwiegt am Ende meistens den Rest. 

Und wer sich jetzt wundert, wie ich bouldern gehen kann, wenn ich mit Menschen ein Problem habe: diese Frage ist durchaus berechtigt. DF und ich versuchen meistens dann zu gehen, wenn wenig Betrieb ist, was nicht immer klappt. Doch auch dann helfen meine kleinen Tricks oder auch mein lieber DF mir, um die Situation zu meistern. 

Ich habe durch den Bergsport gelernt meine eigenen Grenzen deutlich zu verschieben und mehr auf mich zu hören. Es muss ja nicht die Zugspitze sein, auf die es geht. Wichtig ist vor allem, dass man den Schritt vor die Tür wagt und sich bewegt. Der Rest ergibt sich dann von ganz alleine. 

Bis zur nächsten Schandtat!

Eure Katharina

2 Kommentare:

  1. Hallo Katharina,
    mutiger tiefgehende Text. Respekt und alles Gute für Dich.
    Vielleicht einen kleinen Nebenaspekt möchte ich anmerken. Vor einiger Zeit habe ich Euren Post zum Thema Ernährungsreligion unterstützt. Bei mir bzw. uns ist da jetzt ein "Experiment" dazugekommen, dass hier vielleicht auch Relevanz hat. Ich bin auf Youtube auf die Vorträge von Prof.Spitz gestolpert. Beim Inhalt geht es um die Wirkung von höheren Vitamin D Supplimierung. Das haben wir ausprobiert. Nach 4 Wochen ist meine Neurodermitis weg, da hat sonst nur der Südtirol-Urlaub geholfen. Wir sind sehr viel vitaler und die "Winterdepression" ist auch kein Thema mehr.
    Beim Bergsport kommt halt viel zusammen, viel Sonne und Bewegung, und allein das ändert offensichtlich schon viel. Also vielleicht bei den Touren auch mal ein Sonnenbad ohne Lichtschutzfaktor 50 unterstützt ungemein.

    Freu mich auf Eure nächsten Touren... l.G.Gerd

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Gerd,
    vielen Dank für deine Antwort. Die "Veröffentlichen"-Taste zu drücken, war am Ende das schwierigste. Aber ich bin froh, dass ich es getan habe, da die Reaktionen insgesamt positiv sind. :)
    Vielen lieben Dank für den Tipp mit Vitamin D. Sobald sich die Sonne hier mal blicken lässt, sind DF und ich draußen unterwegs, wenn möglich. Da wir an sich jedoch unglaublich licht- und sonnenempfindlich sind, meiden wir ein direktes Sonnenbad. Sonst sind die Kopfschmerzen fast vorprogrammiert. Aber in unserem Rahmen handhaben wir es ähnlich wie du. :)
    DF arbeitet bereits an den nächsten Touren. ;)

    Viele Grüße,
    Katharina

    AntwortenLöschen