Freitag, 3. August 2018

Der Mauerläufer mit einer Prise Blassengrat

Hi! 😊

Und nein, auch wenn der Titel anderes vermuten lässt: Das hier ist kein Koch- oder Backrezept. 😇
Die Geschichte handelt viel mehr von zwei Stoffeln, die auszogen, um der Hitze zu entkommen - und hat vielleicht winzige Parallelen mit dem "Einen, der auszog, um das Fürchten zu lernen". 😂

Eigentlich hatten DF und ich uns vorgenommen mit den Bergtouren vorerst zu pausieren, damit wir für den noch ausstehenden Sommerurlaub genügend Ziele übrig haben. Wir wollten uns im Rhein-Main-Gebiet ein paar stressfreie Wochenenden machen; ein wenig bouldern, Geocachen oder was auch immer. Wie kam es dazu, dass wir diese guten und vernünftigen Vorsätze über Bord warfen? 
Der erste Auslöser war der Wetterbericht. Nachdem ich am Mittwoch (25.07.18) gesehen hatte, dass es in unserer Gegend 35°C und mehr haben sollte, hatte ich aus Jux und Tollerei die Wettervorhersage für Garmisch-Partenkirchen überprüft und eine leiiiiichte Temperaturdifferenz festgestellt. Mehr im Scherz hatte ich dann zu DF gemeint, dass es in Garmisch mit vorhergesagten 24°C deutlich kühler werden sollte. 
Am Donnerstag (26.06.18) schickte mir DF im What'sApp die erschreckende Gegenüberstellung der Wettervorhersagen für Garmisch und unsere Region. Da wir beide nicht sonderlich gut mit der Hitze können, begann aus dem anfänglichen Spaß langsam Ernst zu werden (und nein, Ernst wird heute nicht drei Jahre alt!). Die Grundidee vor der Hitze zu fliehen, war also geboren. Nun hatten wir immer noch das Problem, welche Tour wir gehen sollten. Wir beide waren uns einig, dass man auch bei 24°C in den Bergen gut gebacken wird. Ich schlug vor, dass wir uns eine nordseitig gelegene Route suchen sollten. DF's darauf folgender Vorschlag "Eiger Nordwand" musste von mir leider abgelehnt werden. 😅
Schließlich erinnerte ich mich daran, dass der Mauerläufer-Klettersteig in Garmisch zum Großteil nordseitig liegt. Kurz darauf hatte DF eine Tour gebastelt, die den Klettersteig und den unteren Teil des Blassengrats (kompletter Ostgrat des Hohen Gaifs) beinhaltete. Ab diesem Punkt gab es kein Halten mehr. 

Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass wir einen der schwersten Klettersteige Deutschlands gehen wollten, um auf der Nordseite des Bernadeinkopfs der heimischen Hitze zu entfliehen - vom Rest der Tourplanung mal ganz abgesehen. Wenn das nicht bekloppt ist, weiß ich auch nicht mehr. 😂

Da es im direkten Umfeld der Alpspitzbahn mit Übernachtungs-Parkplätzen eher schlecht aussah, verbrachten wir die Nacht auf einem kleinen Seitenparkplatz unterhalb des Eibsees. 


Morgendliche Aussicht vom Parkplatz




Zu ungewohnt später Stunde klingelte der Wecker um 06:20 Uhr, wobei wir schon vorher durch das Licht und andere Wanderer wach geworden waren. Da ein traumhafter Samstag angekündigt war, verlegten wir nach einem kurzen Frühstück zum Parkplatz der Alpspitzbahn und reihten uns an der dortigen Kasse ein, um direkt die erste Bahn zu erwischen. Das erwies sich als sehr vernünftig, denn die Schlange hinter uns wuchs beinahe sekündlich an...😨

Um 08:00 Uhr schwebten wir schließlich in Richtung Osterfelderkopf und hatten dabei eine sehr angenehme Begegnung. Ein anderer Bergsteiger (Hallo, Oli! Falls du das liest; ich hoffe, dass deine Tour gut gelaufen ist. 😊) erkannte DF und sprach ihn an. So verging die Fahrtzeit für den von Höhenangst geplagten DF etwas schneller. 

Am Osterfelderkopf angekommen, unternahmen wir einen Abstecher zum AlpspiX. Die Aussichtsplattform, die über den Rand des Berges hinaus gebaut ist und einen Tiefblick ins Höllental über 1.000 m ermöglicht, ist durchaus reizvoll - vor allem, wenn sie leicht im Wind wackelt. 😅 Einige spektakuläre Fotos und Videoaufnahmen später ging es auf dem bequemen Plateauweg abwärts zum Einstieg des Mauerläufer-Klettersteigs. 


Panorama vom Alpspix

DF auf dem Alpspix


Zwei Stoffel auf dem Alpspix
Gegen 09:20 Uhr hatten wir den Einstieg des Klettersteigs erreicht und legten unsere Klettersachen an. Ein Helm ist für den Mauerläufer ein absolutes Muss, da erhöhte Steinschlaggefahr an den Wänden des Bernadeinkopfes besteht. Auch an uns kullerten immer mal wieder kleinere, bis mittelgroße Steinchen vorbei. 
Da der Mauerläufer in einigen Berichten als schwerster Klettersteig Deutschlands zur Zeit seiner Erbauung im Jahr 2009/2010 klassifiziert wurde, hatte ich mich wieder dazu entschlossen Kletterschuhe zu tragen. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es für die folgenden 250 Hm die richtige Entscheidung war. 


Am Fuß des Bernadeinkopfs - links der Einstieg zum Klettersteig
Sicht vom Wandfuß in Richtung Estergebirge
Das Einstiegsstück war mit D/E relativ knackig, aber zu schaffen. Hier befanden sich auch ein paar der sehr dünn gesäten Trittstifte des Klettersteigs. Ich habe zu Beginn wie immer ein wenig das Zittern angefangen, bis ich wieder im "Flow" war. Ab diesem Punkt war es zwar nach wie vor kein Zuckerschlecken, aber ich hatte zumindest wieder das passende Körpergefühl. 

Der Steig schlängelt sich fast senkrecht an der zum Teil überhängenden Wand nach oben. Tritte sucht der geneigte Kletterer meist vergeblich und Tritthilfen wurden eingespart, wo es nur ging. Auch gibt es insgesamt keine wirkliche Pausenstelle und so musste ich aus der Not eine Tugend machen und nutzte häufig meine Rastschlinge. So konnte ich die Arme entspannen, die Lage sondieren und mein Klettersteigset nachholen. Eine Pause mit etwa 100-150 m Nichts unter dem Hintern ist allerdings ziemlich gewöhnungsbedürftig. 😲


DF direkt nach der Einstiegsstelle
Blick zurück - da ging es hoch
Spaß am Klettersteig 😅
Wie schon beim Coburger Klettersteig (der allerdings deutlich kürzer ist) waren auch beim Mauerläufer die einzelnen Stifte, die das Seil halten, häufig ziemlich weit auseinander, so dass ein Sturz tief und schmerzhaft ausgefallen wäre. Auch dieser Umstand zwang mich dazu viel mit der Rastschlinge und mit allen Tricks zu arbeiten. Man hat es an einigen Stellen deutlich leichter, wenn man 1,90 m groß ist (mein Körper hat nur 15 cm davor beschlossen mit dem Wachstum aufzuhören - blöd...)! 😒 Und ich kann sagen, dass Karabiner nicht sonderlich gut schmecken - nur hätte ich den Karabiner sonst teilweise nicht entsprechend weiter bekommen. Selbst DF klinkte gegen Ende teilweise sogar mit beiden Karabinern, was mir zeigte, dass es auch für ihn kein Sonntagsspaziergang war. 


Steil nach oben - mit Leiter


Steil nach unten
Eine kleine Pause 😊
Die eingebaute Leiter aus Drahtseilen fand ich überraschenderweise gar nicht soooo furchtbar und die Dreiseilbrücke kurz vor dem Ausstieg war eine einzige Gaudi für DF und mich. 😁
Insgesamt muss ich sagen, dass der Mauerläufer knallhart ist! Man läuft wirklich direkt an der Mauer nach oben und ist für 2-3 Stunden nonstop gefordert. Der Steig geht brutal auf die Arme, was sich deutlich an meinen Händen zeigte. Etwa nach 2/3 der Strecke hatte ich Blasen an den Fingern, die aufgerissen waren. ...es gibt definitiv günstigere Plätze, um sich die Finger verpflastern zu müssen. 😔 Danke an dieser Stelle an DF, der mir dabei geholfen hat die Pflaster aus meinem Rucksack zu holen, ohne dass mein Gepäck den Abflug machte. 


Ein Stück zum Entspannen 😂
Ab auf die Drei-Seil-Brücke
Gegen 12:30 Uhr hatte das Leiden ein Ende und wir hatten den Bernadeinkopf erreicht. Der Steig hatte mit zwei blutigen Knien, zwei Blasen an den Fingern sowie mehreren bösen Kratzern an meinen Armen deutliche Spuren hinterlassen. 😅

Nach einer ausgiebigen Pause am Bernadeinkopf marschierten wir weiter in Richtung Stuibensee und von dort aus über einen kleinen, aber sehr unangenehmen Steig in Richtung Mauerscharte. 


Blick in Richtung Stuiben, Dreitorspitzen, Hoher Gaif und Blassengrat
Stuibensee und Hoher Gaif
Der Weg zwischen See und Scharte war entweder unglaublich schottrig oder führte über plattige Felsen, in denen jedoch Löcher waren, die dazu einluden, sich die Knöchel zu brechen. Hinzu kam eine erdrückende Hitze, die einem das Gefühl vermittelte, mit jedem Schritt gegen eine Wand zu laufen. Mit der Flucht hatte es leider nicht so ganz geklappt... 😖 So kamen wir nur seeehr langsam vorwärts und erreichten gegen 14:30 Uhr die Mauerscharte. Zu diesem Zeitpunkt vermittelte der Himmel uns keinen sonderlich beruhigenden Eindruck. Es sah aus, als ob es jeden Augenblick mit einem Gewitter losgehen könnte...

Wir ließen die Stuibengipfel wortwörtlich links liegen. An einer Felswand war in roter Farbe ein Pfeil mit dem Wort "Schü" aufgezeichnet, um den Beginn des Schützensteiges zu markieren, dem wir ein Stück folgen mussten. Erst nach einer kleinen Biegung fanden wir offizielle Schilder, die den Weg markierten. DF und ich folgten dem Pfad, bis er scharf nach links ins Reintal abbog. 


Rückblick zu den Stuiben mit der markanten Abbruchkante
Ab diesem Punkt gingen wir geradeaus weiter auf dem Grat. In den meisten Beschreibungen, die wir gefunden hatten, hieß es, dass man dem Grat einfach folgen musste - was wir auch taten, bis wir an eine sehr schrofige und brüchige Stelle kamen. Sie war zu steil, um nach unten abzuklettern und auch zu böse, um nach oben zu klettern, ohne zu wissen, ob es sich um den richtigen Weg handelte. Da es zu diesem Zeitpunkt bereits nach 16:00 Uhr war und die Wolken immer unberechenbarer aussahen, entschlossen wir uns an dieser Stelle abzubrechen.
Ohne den Verhauer hätten wir den Grat vielleicht geschafft. Unter den gegebenen Umständen war uns das Risiko aber zu groß.


Auf dem Grat
Das hatten wir schon geschafft...


Blick zurück zum Hohen Gaif und zur Alpspitze mit "ned ganz optimalen" Wolken 😱

Wir kehrten um bis zur Mauerscharte, wo wir eine etwas längere Pause einlegten, da uns noch ein ziemlich langwieriger Rückmarsch bevorstand. 


Sleeping Beauty DF 😴
Um zumindest noch einen Gipfel mitzunehmen, gingen wir den kleinen Umweg zur Stuibenspitze. Da ich mich daran erinnern konnte, dass der Pfad durch die Latschen, den ich zwei Jahre zuvor gegangen war, extrem eklig und schwer zu finden gewesen war, schlug DF vor, über den kleinen Westgrat aufzusteigen. Auf den ersten Blick sah dieser unmachbar aus und entpuppte sich schließlich als angenehmer Spaziergang; abgesehen von einer Distel, in die ich gegriffen habe. 😑
Blick vom Stuibenkopf (1.924 m) zur Stuibenspitze (1.908 m) 
Gipfelkreuz am Stuibenkopf 
Am Gipfel selbst hielten wir uns nicht allzu lange auf und stiegen über den Ostgrat ab, der parallel zum dortigen Felsabbruch verläuft. Man könnte sagen, dass DF mit dieser Art der Wegfindung aus einer blauen Wanderroute eine alpine Kletterei gemacht hat. 😅


Abbruch an den Stuibengipfeln: Die Stuibenwand
Ohne weitere Umwege ging es über den grasigen Rücken der Stuiben hinunter zur Stuiben-Alm (Selbstversorger-Hütte). Die Alm hat im Vergleich zu 2016 aufgerüstet und verfügt inzwischen über einen Trinkwasserbrunnen und Solar-Panels! Wow! 
Ab diesem Punkt kannte ich den Weg ziemlich gut und wir liefen auf dem gemütlichen Bernadeinsteig durch den Stuibenwald hinauf zum Kreuzeck, das wir gegen 20:20 Uhr passierten. Von da an ging es leider meist SEHR unangenehm über steile und schottrige Wege hinab ins Tal. 
Das Kreuzeck mag kein sonderlich anspruchsvoller Berg sein, aber es ist trotzdem sehr steil und unangenehm im Abstieg. 

Um 21:30 Uhr erreichten wir mit dem letzten Tageslicht eeeendlich das Auto. Der Abstieg hatte noch einmal gut reingezogen und wir waren froh, dass wir es noch im letzten Tageslicht geschafft hatten. 


Fazit zur Tour:
Es lief zwar nicht alles wie geplant, aber es war alles in allem abwechslungsreich, anstrengend, spannend und schön. 😊
Der Mauerläufer-Klettersteig ist für Anfänger definitiv nicht zu empfehlen. Ich habe ihn zwar geschafft, musste mich aber gut quälen. Vielleicht wäre es ohne zusätzliche 10 kg auf dem Rücken etwas leichter gewesen... Der Klettersteig ist wirklich fordernd, belohnt aber mit genialen Aussichten und vor allem Tiefblicken. 
Der Stuibensee ist auf jeden Fall einen Besuch wert, auch wenn er aktuell etwas weniger Wasser führt.
Genauso sind die Stuibengipfel ein lohnenswertes Ziel, da sie wie eine Aussichtsplattform zwischen Schachenschloss, Dreitorspitze, Grieskarscharte, Alpspitze und noch vielen anderen markanten Punkten in diesem Gebiet liegen. Der lange Zustieg mag auf viele abschreckend wirken, weshalb man dort seine Ruhe von den vielen Touristen hat. 
Mit dem Unteren Blassengrat hatten wir uns für diesen Tag wohl etwas übernommen und man kann sagen, dass wir noch eine Rechnung offen haben. Für mich war es zudem mein erster "richtiger" Grat in diesem Ausmaß und auch ohne Höhenangst muss ich sagen, dass es mich einiges an Überwindung gekostet hat über bestimmte Stellen zu gehen. Vielleicht setzt ja ab dem 100.000. Grat eine Art Gewöhnungseffekt ein... Eins steht auf jeden Fall fest: Wir kommen wieder! 😈

Natürlich hat DF unsere Untaten wieder gefilmt und ich werde das Video verlinken, sobald es fertig ist. 

Bis zur nächsten Schandtat!

Eure Unlimited 

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